Sechs Tage Wellenreiten

Das Wichtigste zuerst – wir sind sicher und, wie es unser Motto ist, glücklich auf Antigua angekommen!

Dank teilweise kräftigen Windes, dank 100 PS und dank grosser Dieseltanks haben wir die knapp 1000 Seemeilen (*1,8 = km) in sechs Tagen hinter uns gebracht.

Die beiden ersten Tage ging es ruppig zu, kräftiger Wind und verschiedene Wellensysteme (der regelmässige Nordatlantik Grundswell aus der einen Richtung und die Windwellen aus einer anderen Richtung), die sich ziemlich ungemütlich überlagert hatten. Das setzt den Wohlfühlfaktor deutlich zurück: Man weiss nicht wie man sitzen, liegen oder gar sich fortbewegen soll, alles bewegt sich in jedem einzelnen Moment in jede erdenkliche Richtung. Martin und Bernd kommen besser damit zurecht. Ich bekomme Kopfschmerzen. Die gute Nachricht – mithilfe der Medikamente, die ich jetzt habe, kann ich sie unter Kontrolle behalten. Keine Migräne!!!

Als wir gerade noch in Funkreichweite waren, ruft uns Bermuda Radio an und erkundigt sich nach Wind- und Wellenverhältnissen „da draussen“. Wir geben ihnen unsere Daten und sie geben kurz danach eine „small craft warning“ (stürmische Bedingungen für kleinere Boote – CHEGLIA ist natürlich nicht mehr „klein“) heraus.

Das wurde dann abgelöst durch zu wenig Wind – motoren war angesagt. Und ganz ehrlich? Das ist zwar laut, aber fühlt sich nach all den Stunden auch ganz entspannend an. Noch mehr, wenn man dann plötzlich die Lichter eines anderen Segelbootes ausmacht, sie über Funk anspricht und hört, sie fahren kreuz und quer auf der Suche nach Wind und dümpeln/wackeln dann für die gesamte nächste Zeit mit 1-2 Knoten „Geschwindigkeit“ dahin. Wir brausen einfach weiter……

Allerdings überlegen wir auch und befragen Chris Parker, ob wir unseren Kurs soweit nach Osten ändern, dass wir früher wieder genug Wind aus der richtigen Richtung (!!) bekommen. Bernd verbringt eine Nachtwache damit, seine alten Differentialrechnungsqualitäten wieder zu aktivieren und auszurechnen wie viel weiter wir bei wie viel Grad Kursänderung fahren müssten. Wir lösen die Gleichung nicht zufriedenstellend (Sinus? Tangens?), entscheiden uns aber sowieso auf unserer „rhumb line“ zu bleiben. Unabhängig von Bernds Rechnung bleibt die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten: eine Gerade.

Während eines heftigen Regens gesellt sich ein weiterer Mitsegler zu uns: Ein kleiner unerschrockener Vogel mitten im Ozean.

Einer der Höhepunkte war die Tiefe! Auf der Karte haben wir gesehen, dass wir eine Stelle passieren würden, an der das Wasser fast 8000 m tief ist! Anhalten! Dort haben die Herren sich an schönen Sprüngen ins tiefblaue (was für ein BLAU !!!) Meer überboten. Ich habe eine Dusche am Heck genommen 😉

Nach fast exakt sechs Tagen liegen wir in Antigua am Zoll-Dock. Als Einklarier-Flagge muss mein (gelbes) T-Shirt dienen, die Q-Flagge konnten wir nicht mehr finden. Bernd versucht an Land „zu gehen“, nix da, das „wackelt“ so sehr, dass er es auf dem Allerwertesten ausbalanciert.  Und kaum sind alle wieder an Bord, kommt sofort das Ankerbier! Mittags. In 30 Grad Hitze. Danach denken wir nur noch an Ausschlafen. Eigentlich. Im wahren Leben endet diese Nacht sehr spät und mit „dem Besäufnis des Jahres“ wie Martin sagt.

Hot, hot – Bermuda-Shorts

In Hamilton, der Hauptstadt von den Bermudas, läuft uns ein Mann in Kniestrümpfen, die in Anzugschuhen stecken, mit Jacket, Schlips und -Bermuda-SHORTS entgegen. Wir denken noch – sieht irgendwie komisch aus. Bis der nächste und nächste und nächste kommt. Hier trägt der gepflegte Herr das so!

Bernd aus Hamburg ist angekommen, um mit uns in die Karibik zu segeln. Martin und er ziehen sofort los und kaufen die Strümpfe. Und am Sonntag werden sie ausgeführt – es ist Remembrance Day – Gouverneur, Premierminister und alles, was Rang und Namen hat, kommt nach St. George’s. Flankiert von den beiden werde ich als Admiral zur Festveranstaltung auf den Kings Square geleitet.

Das Beste kommt zum Schluss – nach der Veranstaltung stehen wir noch ein wenig herum, als zwei Touristen auf Bernd und Martin zukommen und fragen, ob sie ein paar Fotos von ihnen, den Einheimischen, machen dürften…….

Bernd und Martin fahren mit dem Bus! zum Golfplatz und spielen eine Runde. Sie sind begeistert von der wunderschönen Szenerie; Lori und Charles wandern zum Gibbs Leuchtturm und kaum oben – der nächste Squall ist Charlie Squally wieder auf den Fersen…..

Obwohl wir mit dem adäquaten Bermuda-Outfit ja fast eingemeindet worden wären, morgen segeln wir weiter. Antigua ist das Ziel. Sieben Tage werden wir ungefähr brauchen. Etwas nervös bin ich immer vor den langen Strecken, aber ich glaube, das ist normal.

 

Have a good time, USA!

Hampton in Virginia war unsere Absprungstelle Richtung Bermudas. Dort kamen Lori und Charles an Bord, die grossen Boreal-Fans, die wir in Halifax kennengelernt hatten. Sie waren begeistert als wie sie fragten, ob sie als Crew bei uns mitsegeln wollen.

Martin macht immer eine sehr gewissenhafte Strecken- und Routenplanung. „Wieso fahrt Ihr denn noch nicht los? Das Wetter ist doch gut.“ Ja, das Wetter war schön in Hampton, Virginia. Aber wir werden voraussichtlich 5 Tage nach Bermuda unterwegs sein – uns interessiert das Wetter in 2-3 Tagen auf hoher See bedeutend mehr, als die aktuellen Sonnenstunden in Virginia. Wir müssen einmal den Golfstrom durchqueren. Und wollen nicht in starken Wind und Wellen gegen an fahren.

Für lange Offshore Strecken hilft uns Chris Parker, er ist professioneller „Weatherrouter“, ein Meteorologe, der für CHEGLIA ein Wetterfenster und eine Route errechnet.
Das sieht dann so aus:

You’ll depart ChesapeakeBay motoring SE…then sail E into GulfStream Sun5 night/Mon6…then turn SE, exiting Stream as N wind arrives Tue7…pass near 35N/70W then 34N/68W to be clear of the counter-clockwise-rotating eddy…then sail to Bermuda……..

Die ersten beiden Tage und Nächte der Überfahrt waren dann auch eher ungemütlich! Wir haben den Golfstrom überquert, der ist breit (wir haben 12 Stunden gebraucht) und die Wellen schubsen und schaukeln das Boot in alle möglichen Richtungen. Das hiess „Fische füttern!“ Und dann waren da noch die Squalls, „kleine“ lokale Gewitterzellen mit plötzlichem, sich drehenden starken Wind und peitschendem Regen. Am Tag sieht man sie noch drohend auf sich zukommen. Aber am nachtdunklen Himmel? In der zweiten Nacht hat uns einer aus nicht-heiterem Himmel erwischt und ordentlich auf die Seite gedrückt. Charlie hatte Wache und es hat etwas gedauert bis Martin sich in die volle Segelmontur geworfen hatte und die Situation wieder beruhigen konnte.

Die beiden letzten Tage gab es zwar auch noch den ein oder anderen Squall, immer dann, wenn Charlie „Squally“ Wache hatte. Keiner war mehr so heftig, alles andere war Champagnersegeln und die Crew wieder entspannt.

Viele Menschen!

Von der Stadt, die niemals schläft, haben wir uns in den verschlafenen Örtchen im nördlichen Teil der Chesapeake Bay erst vom Trubel „erholt“ und haben dann einige Tage in Annapolis verbracht – mit vielen Verabredungen, Einladungen, Besuchen rund um Washington DC. Es war so schön und so viel los, dass wir vergessen haben alle, die wir getroffen haben, auf Fotos zu verewigen – so bleiben hauptsächlich Gebäude und Natur.

Ein schönes Foto von der Hollenhorst-Goll-Familie gibt es aus der Tequila-Bar in Annapolis…..