Hurricanes

Gert, Irma, Josè, Maria – die Namen der Hurricanes in 2017 – sie haben auch uns beeinflusst.

Erstmal haben sie uns betroffen gemacht, denn vor sechs Monaten sind wir auf genau den Inseln in der Karibik gewesen, die jetzt von den Stürmen am meisten betroffen sind: Dominica, St. Maarten, BVI, Puerto Rico, Turks and Caicos.

Und die Ausläufer der Stürme im hohen Norden Kanadas hatten immer noch viel Potential, haben enorme Wellen verursacht und uns dadurch noch tagelang im Hafen von Shelburne festgehalten. Dort wurde es langsam herbstlich…..

Wie planen wir unsere Reiseabschnitte?
„Gentlemen do not sail to weather“ – „Gentlemen fahren nicht gegen Wind und Wellen an“, schlau sind die Briten und jahrhundertelange Segelerfahrung hilft. Also ist Geduld gefragt und vor allem intensive Beschäftigung mit den Wetterprognosen und den Wettermodellen. Die Segler diskutieren leidenschaftlich gerne „Wetterfenster“, also eine günstige Vorhersage für den eigenen Kurs, das jeweilige Boot, und, besonders wichtig: die Leistungsfähigkeit der Crew. Da werden schon sehr unterschiedliche Sichtweisen aufgetischt. Bislang haben wir ein ganz gutes Händchen gehabt.

Bei den Hurricanes sind die erheblichen Unterschiede in den Prognosen nicht gerade hilfreich. Die längerfristigen Vorhersagen (also mehr als 3 Tage) sind eigentlich immer falsch, man weiss nur eben nicht um wieviel…. Mal wird JOSÈ in Neuengland erwartet, am nächsten Tag wird der Sturm im Süden von Nova Scotia gesehen. Blöd, genau da sind wir gerade und auch blöd, weil wir eigentlich nach Boston wollen. Aber wir haben für unsere Überfahrt einen guten Zeitpunkt erwischt. Die Wellen von JOSÈ sollten „nur noch“ drei Meter hoch sein und sollten im Laufe des Tages immer niedriger werden, der Swell von MARIA war noch nicht in der Bucht von Maine, also los! Das hat alles gestimmt, aber schade, dafür gab es einfach gar keinen Wind. 30 Stunden motoren ist nervig, aber wir sind eben Gentlemen ;-).

National Hurricane Center 29.09.2017

Georg hat uns schon am Steg erwartet, wir kommen am 24.9. gegen 16:30 in Portland, Maine, an. Die letzten sechs Stunden waren ein nicht enden wollender Slalomkurs um tausende Bojen herum. Überall liegen die Hummerpötte mit Bojen gekennzeichnet aus. Überall bedeutet, 15  – 20 Meilen vor der Küste bis in die Hafeneinfahrten sind die „Sch…“dinger. Wir hatten ja bereits vor Portugal das Vergnügen, die Leine hatte sich um den Propeller gewickelt – nicht nochmal, bitte! Lydia Adlerauge ist angespannt und kurvt erfolgreich um die Dinger herum, viele Stunden lang: tolle Leistung.

 

Wir fahrn, fahrn, fahrn – und warten


Wir sind nämlich in der Stadt. Halifax hat uns wieder.

Die Überfahrt von St. Peter dauerte genau 24 Stunden und begann tatsächlich mit reichlich Wind und Wellen. Die ersten Stunden waren es 35 und mehr Knoten, das pfeift und wackelt kräftig. Und verlangt mir doch immer noch einiges ab. Martin ist da cooler. Und Cheglia sowieso. Im zweiten Reff und mit kleiner Fock marschiert sie anstandslos durch die Wellen. In der Nacht wurde der Wind zum Glück (und wie vorhergesagt) immer weniger und wir sind an einem strahlenden Morgen auf flachem Wasser nach Halifax reingefahren.
Martin war voller Erwartung, denn sein eigenes Geburtstagsgeschenk sollte in der Royal Nova Scotia Yacht Squadron auf ihn warten. Ein 130 qm großes Leichtwindsegel. Diese Marina ist sehr schön, liegt auf dem Landweg gut 10 km von der Stadt entfernt. Man muss immer um den Meeresarm außen herum fahren. Wir bleiben trotzdem hier, denn wir hoffen täglich auf das Paket. Aber – es steckt seit vier Wochen im Zoll in Montreal fest. Es gab Telefonate, Emails, Papierkriege….. zwischendurch haben wir die Stadt, ihre Museen, Kinos (zwei Filme nach einem Jahr Abstinenz), Pubs und Restaurants, Biergärten, Studentenkneipen, Cafés, Supermärkte und Geschäfte erkundet. Mit Taxis, Bussen, per Anhalter, Dinghy und vielen Kilometern auf den Sohlen.
Unterwegs und während unseres ersten kurzen Stops hier hatten wir einige nette Leute kennengelernt und sie alle aufs Boot zu einer kleinen Party eingeladen. Schöner Abend. Unter anderem auch Lori und Charles, beide große Borealfans! Von Lori habe ich Massage- und Akupunktur bekommen und die beiden haben uns zu einem schönen Ausflug mit Wanderung zum Cape Split an der Bay of Fundy eingeladen. Dadurch haben wir wieder etwas vom Inland gesehen und abends gab es bei den beiden zu Hause noch ein großes Steakessen. Die Menschen hier….. aber das hatten wir ja schon! Wir wollen wieder kommen.
Und nach 10 Tagen Warten hier – yeapeehhhh – das große Paket ist angekommen. Ohne Zoll bezahlen zu müssen!! Gleich am nächsten Morgen machen wir uns auf den Weg zurück zu unseren anderen neuen Freunden in LaHave.
Um den 21.9. herum wollen wir in Boston sein. Weather permitted.

Leaving the Lakes

Mit Kai segeln wir weiter nach St.Peter, dem nordwestlichen Ein- bzw. für uns diesmal Ausgang von den Bras d’Or Lakes. Es ist Anfang September und man spürt und sieht überall, die kurze Sommersaison geht zu Ende. Kai lassen wir diesmal vom Taxi zurück nach Sydney bringen, sein Flug ist um 6.00 Uhr morgens. Es fühlt sich immer so leer an, wenn einer unserer Söhne wieder weg ist. Schnieffff…..
Als Trostpflaster haben wir ein lang erhofftes Treffen vor uns. Wir haben uns mit Christiane und Ulrich, die wir bisher nur von Telefon und Email kennen, und ihrer Nordlicht verabredet. Sie ist das Schwesterschiff von Cheglia und wir segeln zum Little Harbour. In dieser fast kreisrunden Bucht liegen nur diese beiden Aluminiumschiffe „schwesterlich“ nebeneinander. Sieht toll aus! Wir haben natürlich viel zu erzählen und auszutauschen und verbringen fast drei sehr schöne Tage dort.
Durch die historische  Schleuse von St. Peter starten wir nach Halifax. Die Wetter- und v.a. Windvorhersage verspricht diesmal wirklich viel Wind. Mal sehen wie das geht.

Kai in Kanada

Kai soll kurz vor Mitternacht ankommen. Wir haben ein Auto gemietet und fahren nach Sydney. Wir machen uns seit langem mal wieder „stadt“fein und freuen uns auf einen unterhaltsamen Abend. Nur – in Sydney gibt es nichts. Einfach gar nichts. Wenigstens finden wir ein kleines Restaurant mit einer Speisekarte, die mehr als Pub-Food anbietet. Dafür hat sich der Ausflug gelohnt. Mittlerweile sagt Kai uns, dass er erst gg. ein Uhr morgens ankommt, nach unserem Essen noch fünf Stunden! Wir schauen uns das Kinoprogramm an. Nichts. Musik? Nichts. Wir stöbern durch ne Mall bis sie schließt, fahren zum Flughafen und schlafen im Auto.
Die nächsten zwei Tage fahren wir über den Cabot Trail, üben uns mit Pfeil und Bogen (falls Koyote, Bär oder Elch was von uns wollen) haben schöne Ausblicke, links und rechts gibt es jede Menge Wanderwege in unterschiedlichen Schwierigkeits- und Touristenbevölkerungsgraden.
Dann geht es mit dem Boot weiter und wir segeln nach Eskasoni ins Reservat der „First Nation“ – den Mi’kmaqs. Es gibt ein kleines Informationscenter und einen Rundweg, aber beides ist nicht sehr aufschlussreich. Das Thema „Indianer “ ist in Kanada gerade in den Kinderschuhen. Ich habe den Eindruck, auf beiden Seiten.
Wir ankern wieder in einer traumhaften Bucht – Martins Geburtstagsbucht. Das Wetter ist wie es sich gehört und Kai und ich servieren am Abend ein stilvolles Geburtstagsdinner. Und zur Feier des Tages begleitet uns hier ganz nah ein Adlerpaar. Ach ja, Koyoten, Bären und Elche….. wir haben nicht einen gesehen.

Back to Baddeck

Wir bleiben nur kurz in Baddeck, gehen vor allem mal wieder einkaufen, in Neufundland haben wir unsere Reserven ganz schön geplündert. Und geben unser Dinghy ab, es hat ein Leck. Wir brauchen es sehr oft, es ist unser Auto! Mit dem fahren wir fast täglich. Zwischen Ankerplatz und Land, über eine Bucht zum einkaufen, andere Leute (auf ihren Booten) besuchen, schwimmen, tauchen, schnorcheln. Unverzichtbar.

Wir haben noch drei Tage Zeit bis Kai nach Sydney (das in Nova Scotia!) kommt und segeln in den wunderschönen Washabuck River. Dort sind wir ganz allein, nur ein Adlerpaar soll dort wohnen. Wir können die Sonnenfinsternis richtig gut beobachten und machen kleine Erkundungen mit unserem Kajak. Das Ding ist klasse, aufblasbar, gleichzeitig extrem stabil, lässt sich sehr gut fahren – zu zweit oder allein.
Gegen Abend packen wir uns gut gegen Moskitoattacken ein und paddeln auf Adlersafari. Den riesig großen Horst haben wir gefunden. Leer. Wir warten eine Stunde im Sonnenuntergang, dann geben wir auf. Ausgeflogen. Wir paddeln zurück und werfen den Grill an.

Leben im Outport

Francois (einheimisch: Franz-way) liegt einfach nur spektakulär. Punkt. Wir haben – wie so oft – Glück und kommen samstags gegen 17.00 Uhr an, auf dem Dock stehen schon jede Menge Leute, um uns zu helfen und um sagen „Beeilt euch! Heute ist Francois Day und gleich gibt es Dinner im Community Center und danach Musik und Tanz!“ War nicht schwer uns zu überreden….. Das Dinner war sehr früh, der Tanz begann erst um 22.30! – nach acht Stunden Segeln waren wir eigentlich müde, aber nicht dabei sein ging natürlich gar nicht. DER Alleinunterhalter aus Francois hat dann auch richtig gut aufgespielt. Das gesamte Dorf, wir und noch ein englisches Paar haben kräftig das Tanzbein geschwungen. Uns kannte spätestens danach jeder. Und wir haben viel mitbekommen wie es sich an einem Ort leben lässt, zu dem weit und breit keine Straße führt, der drei Monate Sommer hat, außer Tundra, ein paar Beeren sehr wenig Vegetation und dann neun Monate Winter. Mit heftigen Stürmen und viel Schnee. Immerhin – es gibt eine Fähre, die täglich morgens in den nächstgelegenen Ort MIT Straße fährt und abends zurück. Wenn das Wetter es zulässt. Im letzten Winter ist sie acht Wochen lang nicht gefahren. Und konkret heißt es, vier Stunden Fähre, vier Stunden für Einkäufe, Arztbesuche, Erledigungen, vier Stunden Fähre. 72 ganzjährige Bewohner hat das Dorf noch, davon 9 Schüler. Der jüngste ist erst 7 Jahre alt. Aber nach ihm wird ziemlich sicher nichts mehr kommen. Vor 40 Jahren hatte die Schule noch 150 Schüler. Wir haben niemanden in Francois gesprochen, der daran glaubte, dass das Dorf überleben könne. Damit geht eine Kultur unter.

Auch wenn Einzelne sich Mühe geben – wie Lorreta und Greg mit Marc. Sie haben den wahrscheinlich abgelegensten Pub der Welt – a „Privat Pub“. D.h. sie haben einen alten Fischerschuppen umgebaut. Wichtigstes Möbel ist der Kühlschrank, in dem immer einige Biere sind, ansonsten bringt jeder was mit. Kaufen kann man nichts. Und dieser Pub ist der gemütlichste, den man sich vorstellen kann…… Aber nur offen, wenn die drei aus Halifax in Francois sind.

Wir sind die Flanken des Fjordes hoch gelaufen. Dort oben sind nur Tundra, Seen, Granit, Wind und atemberaubende Ausblicke!

Francois ist auch unser Wendepunkt. Die Wettervorhersagen sehen gar nicht gut aus, viel Wind und Wellen, am liebsten aus der falschen Richtung. Aber wir müssen zurück, um Kai rechtzeitig abholen zu können. Plötzlich tut sich ein günstiges Wetterfenster für ca. 30 Stunden auf, Skipper Martin entscheidet – sofort los! Und er hat recht – wir kommen gut wieder nach Nova Scotia und machen nach knapp 30 Stunden in Baddeck (wieder Bras d’Or Lakes) fest – und kräftiger Wind und Regen sind da. Ich bin sehr froh.

Moosepoop ohne Bärentöter

Old Shatterhand hatte einen Bärentöter, Winnetou eine Silberbüchse. Und ich? Nichtmal eine Zwille.

Wir sind in Newfoundland, an der Südküste, in der Billard Cove. Eine fast kreisrunde Ankerbucht mit schmaler Einfahrt, dicht bewaldet und bebuscht, wir haben schon bei der Einfahrt einen Adler gesehen, dann waren wir erstmal eine Stunde beschäftigt unser Boot in dieser Pfütze festzumachen.

Lydia hat mich am nächsten Tag am Rand der Bucht mit dem Dinghy abgesetzt, ich will auf den Hügel hinter der Ankerbucht. Hier ist es echt einsam. Eine kleine Jagdhütte, sonst nix. Kein Handyempfang, meilenweit keine Menschenseele. Der Hang ist nicht besonders steil, bestenfalls blaue Piste, hat unten ein paar Wasserlöcher, ist dann felsig durchsetzt und von oben bis unten mit Tundra bewachsen. Da hoch? Och, geht eigentlich ganz einfach, man muss nur den zahlreichen Wildwechseln folgen. Ich lasse die Wasserlöcher rechts liegen und steige auf, in dem einen oder anderen Felsenband gibt es ein paar Höhlen. Der Pfad wird ein bisschen modderig, man kann Tierspuren sehen. Hoppla, das ist aber ein strammer Abdruck! Zweihufer, ziemlich beeindruckend. Etwas später ein Haufen, viele kleine Kugeln, größer als Murmeln, kleiner als Tischtennisbälle. Vor ein paar Tagen hatte Lydia für Victor Newfoundland-Schokolade zum Geburtstag gekauft, „Moosepoop“ – Elchsch…. stand drauf. Die Schokodinger hatten in etwas gleiche Form und Größe. Arbeitshypothese: es gibt Elche hier.

Der Grossstadtindianer kommt durch! Tierspuren in der Tundra können unter Umständen schon ewig dort sein. Vielleicht aber auch nicht? Ich gehe zum Wasserloch und untersuche den Boden. So langsam beschleicht mich ein mulmiges Gefühl. Ob es auch Bären hier gibt? Also wenn ich Bär wäre, dann würde ich mich auch in der Nähe des Wasserlochs aufhalten, vielleicht in einer dieser gemütlichen kleinen Höhlen die ich eben noch gesehen hatte? Ach, vielleicht fotografiere ich die Tierspuren jetzt doch nicht mehr (müsste die Kamera aus dem Rucksack holen …) und funke Lydia schon mal zu, dass sie mich wieder abholen kommt. Laut pfeifend und etwas zügig gehe ich zum Strand hinunter.

Auf dem Weg zum Billard Cove haben wir unsere 9000 Meilen geknackt…..