Segeln von Tonga nach Neuseeland

Also – wir warten. Freunde von uns bekommen plötzlich die große Unruhe. Wir bremsen sie immer wieder, zum Glück wie sich später herausstellt. Und plötzlich dreht der Wind und es sieht gut aus, zumindest für die erste Strecke bis zu den Minerva Reefs. Los gehts. Mit viel Wind rauschen wir in schneller Fahrt ins Minerva Reef North. Bald liegen 28 Boote dort! So ein eindrucksvoller „Hafen“. Bei Ebbe kann man das Riff sehen, es ist fast 500 m breit und man kann sogar drauf rumspazieren. Der Wind zischt natürlich drüber hinweg, aber die Wellen sind gebrochen. Drei Tage lang strammer Südwind. Ein Boot versucht es trotzdem und dreht nach 24 Stunden entnervt, erschöpft um und kommt wieder zurück. 5-6 Meter hohe Wellen von vorn, kein Vorwärtskommen. Ein paar andere Boote haben sich auf eine für uns komplett unverständliche Empfehlung von weatherBob verlassen und kämpfen fünf Tage gegen Sturm und Wellen mit Kurs NW, also mehr zurück als vorwärts! Um dann später 4 Tage durch die Flaute zu motoren. Fast alle anderen Boote aus dem „Minerva Yacht Club“ verlassen -wie wir – am 1./2. November innerhalb von 36 Stunden das Riff Richtung Neuseeland. 

Wir starten erst hoch am Wind, die Dünung vom Sturm ist noch da, also erstmal 48 nicht so gemütliche Stunden. Dann kommt der Wind rum aus Richtung Osten und lässt nach. Machen wir mal den Motor an…..  Nix geht!

Erst denken wir auch, Sch…. Unsere norwegischen Segelfreunde von Alutia, Mille Momenti ( die beiden anderen Boreal) und Malisa werden sofort aktiv. Malisa schreibt, wir drehen um und kommen die 30 nm wieder zurück und helfen Euch mit Starterbatterie oder Reparatur. Alutia und Mille Momenti tauschen sich über einen passenden Startermotor aus und versuchen über Norwegen einen schon nach Neuseeland zu bestellen. Dann taucht der deutsche Katamaran Belena (das einzige Boot, das wir unterwegs sehen!) wie von Wunderhand auf. Wir funken sie an, sie bauen sofort ihre Starterbatterie aus und wir machen das Dinghy klar. Mitten im Pazifik. Zwar wenig Wind, aber immer noch hohe Dünung. Das kleine Gummiboot mit Martin drin…. bis wir den Outbord dranhaben, die schwere Batterie hoch und runter, das Dinghy von Bord und wieder an Bord…. Und wir bekommen von Benno und Marlene noch zwei Kanister mit Trinkwasser. Nach dieser Aktion sind wir beide fix und alle. Und gebracht hat sie nix. Außer – die wunderbare Erfahrung von soviel Unterstützung und Hilfe und – Klarheit. Es bleibt nix als segeln. Und dann haben wir unsere schönste lange Passage. Ein paar Stunden ist Flaute, wir nehmen die Segel runter und genießen einen Kaffee und lesen in der Sonne. Meine einzige Sorge ist nur, dass wir so langsam sind, dass uns das nächste Tief noch auf die Nase haut. Aber dann gehts weiter, mal ne ganze Nacht mit nicht mal zwei Knoten, mal gehts zügig voran… Mein Bruder kümmert sich mit seinen Nachrichten ganz wunderbar um unser seelisches Wohlbefinden, unsere Segelfreunde sind mit Positionsmeldungen bei uns. Allen noch mal ein dickes DANKESCHÖN.

Mit der letzen Brise erreichen wir abends um 22.00 eine ruhige („da sind bestimmt kaum Boote drin, wir haben Platz, falls was schief geht“) Bucht und lassen unter Segeln in der Bay of Islands den Anker fallen. Am nächsten Morgen staunen wir nicht schlecht über 100e Boote in unserer Bucht. Dann kommt Bruce mit seinem Dinghy und schleppt uns in die Marina. Und wir sind da!!!

Am Abend gibt es gleich eine große Party im „Cruiser Club“ in der Marina – die Princess of the Pacific Party. Große Erleichterung und dementsprechend ausgelassene Stimmung bei allen, bei manchen (äähmm, wem wohl ?!!) bis in den frühen Morgen…

Vor der Abreise – Wetterfenster

Oben rechts starten wir – unten links wollen wir ankommen

Die große Unbekannte. DAS Gesprächsthema. Das „richtige“ Wetterfenster für die Passage nach Neuseeland. Seit unserer Ankunft in Tonga Mitte September braucht man nur 3 Minuten mit einem anderen Segler zusammenzusitzen und was kommt? Das Wetterfenster. Mit jeder Woche, die vergeht, steigern sich die Diskussionen über Wettermodelle. Dazu kommen noch die Empfehlungen der drei Wettergurus, Chris Tibbs (UK), WeatherBob (NZ) und Chris Parker (USA). Letzteren haben wir in der Vergangenheit gelegentlich ganz erfolgreich zu Rate gezogen. Das Ganze wird dann mitsamt des versammelten Seglerwissens durch die Mühle gedreht und herauskommt – eine riesige Konfusion. Die Schwierigkeit ist – das Wetter. Denn wir entfernen uns vom Äquator und damit von den recht stabilen Passatwinden. Hier rauscht ein Hoch (dreht hier gegen den Uhrzeigersinn), gefolgt von einem Tief (dreht mit dem Uhrzeigersinn), dann wieder ein Hoch usw. durch. Je ausgeprägter sie sind und je näher sie zusammenliegen, desto größer werden Windgeschwindigkeiten und v.a. Wellen. Im Extrem kommt es zu den gefürchteten s.g. Squash Zones. Wir laden uns die Wettermodelle täglich über unser Iridium Go herunter. Wir suchen ein stabiles Hoch. Aber auch da – Konfusion. Jeden Tag sieht die Prognose anders aus. Wir stellen allerdings fest, das europäische Modell scheint das zuverlässigere zu sein (die Alternative ist das amerikanische – kein weiterer Kommentar dazu) und mit Chris Parker hatten wir gute Erfahrungen. Also fokussieren wir uns nur darauf. Das sorgt für deutlich weniger Konfusion, aber ein Wetterfenster zeigt sich einfach nicht. 

Gegen Ende Oktober/ Anfang November wollen die meisten aus Tonga oder Fidji verschwinden, denn dann beginnt dort die Hurrikansaison. Mitte Oktober, die Nervosität steigt, macht eine traurige Nachricht die Runde. Das Segelboot eines sehr erfahrenen Neuseeländers gerät kurz vor Erreichen der Küste in eine solche Squash Zone. Hohe Wellen zerschmettern ein Fenster, das Boot läuft voll und sinkt innerhalb von 20 min. Die vier Menschen an Bord verlieren ihre Rettungsinsel und obwohl ein Hubschrauber der Küstenwache schnell da ist, eine neue Rettungsinsel abwirft, können nur drei von ihnen lebend geborgen werden. Damit wollten wir Euch nicht vor unserer Abreise beunruhigen.

https://www.nzherald.co.nz/nz/news/article.cfm?c_id=1&objectid=12276619