Das Neueste von uns

Moosepoop ohne Bärentöter

Old Shatterhand hatte einen Bärentöter, Winnetou eine Silberbüchse. Und ich? Nichtmal eine Zwille.

Wir sind in Newfoundland, an der Südküste, in der Billard Cove. Eine fast kreisrunde Ankerbucht mit schmaler Einfahrt, dicht bewaldet und bebuscht, wir haben schon bei der Einfahrt einen Adler gesehen, dann waren wir erstmal eine Stunde beschäftigt unser Boot in dieser Pfütze festzumachen.

Lydia hat mich am nächsten Tag am Rand der Bucht mit dem Dinghy abgesetzt, ich will auf den Hügel hinter der Ankerbucht. Hier ist es echt einsam. Eine kleine Jagdhütte, sonst nix. Kein Handyempfang, meilenweit keine Menschenseele. Der Hang ist nicht besonders steil, bestenfalls blaue Piste, hat unten ein paar Wasserlöcher, ist dann felsig durchsetzt und von oben bis unten mit Tundra bewachsen. Da hoch? Och, geht eigentlich ganz einfach, man muss nur den zahlreichen Wildwechseln folgen. Ich lasse die Wasserlöcher rechts liegen und steige auf, in dem einen oder anderen Felsenband gibt es ein paar Höhlen. Der Pfad wird ein bisschen modderig, man kann Tierspuren sehen. Hoppla, das ist aber ein strammer Abdruck! Zweihufer, ziemlich beeindruckend. Etwas später ein Haufen, viele kleine Kugeln, größer als Murmeln, kleiner als Tischtennisbälle. Vor ein paar Tagen hatte Lydia für Victor Newfoundland-Schokolade zum Geburtstag gekauft, „Moosepoop“ – Elchsch…. stand drauf. Die Schokodinger hatten in etwas gleiche Form und Größe. Arbeitshypothese: es gibt Elche hier.

Der Grossstadtindianer kommt durch! Tierspuren in der Tundra können unter Umständen schon ewig dort sein. Vielleicht aber auch nicht? Ich gehe zum Wasserloch und untersuche den Boden. So langsam beschleicht mich ein mulmiges Gefühl. Ob es auch Bären hier gibt? Also wenn ich Bär wäre, dann würde ich mich auch in der Nähe des Wasserlochs aufhalten, vielleicht in einer dieser gemütlichen kleinen Höhlen die ich eben noch gesehen hatte? Ach, vielleicht fotografiere ich die Tierspuren jetzt doch nicht mehr (müsste die Kamera aus dem Rucksack holen …) und funke Lydia schon mal zu, dass sie mich wieder abholen kommt. Laut pfeifend und etwas zügig gehe ich zum Strand hinunter.

Auf dem Weg zum Billard Cove haben wir unsere 9000 Meilen geknackt…..

 

New“found“land – Now“lost“land – Grand Bruit

Wir segeln weiter nach Grand Bruit, einem der vielen Outports ( das sind die Orte, die nur per Schiff erreicht werden können) an der felsigen, von Fjorden durchzogenen Südküste. Dieser Ort ist 2010 aufgegeben worden und ist damit einer der letzten, die bisher verlassen wurden. Die Regierung hat schon seit vielen Jahren ein Programm zum Resettlement aufgelegt, denn die Versorgung der Outports – Schulen, Strom, Telefon, Lebensmittel, Medizin etc etc – ist extrem schwierig. Und – es gibt nach dem Leerfischen des Ozean – nicht mehr genügend Arbeit für die Menschen. Jede Familie, die sich entschließt, ihre Heimat zu verlassen, bekommt 250.000 $. Allerdings müssen die Bewohner eines Dorfes mit einer 90%igen Mehrheit beschließen das Dorf aufzugeben.

Wir haben Cheglia an dem sehr gut erhaltenen Dock festgemacht und sind durch das idyllisch gelegene Dorf gelaufen. Meine Kehle war zugeschnürt. Alle Häuser verlassen, die Stromleitungen durchgeschnitten, die Gardinen hingen oft noch. Welche Dramen haben sich hier abgespielt? Wer hat gegen wen gestimmt? Oder vielleicht – hoffentlich! – auch sachlich überzeugen können? Ich konnte die Nacht dort nicht verbringen und wir sind schnell wieder aufgebrochen – zu unserem einsamen Fjord.

Rose Blanche

Dieser kleine Ort ist bekannt für einen der schönsten Leuchttürme, der innen wie außen sehr liebevoll restauriert wurde: Das Leben eines Leuchtturmwärters kann man sich hautnah vorstellen. Und – hier kommen noch einige der sowieso schon wenigen Neufundland-Touristen vorbei, denn Rose Blanche ist für viele Kilometer der letzte Ort an der Südküste, der über eine Straße noch mit dem Rest der Welt verbunden ist. Trotzdem – die Schule wurde geschlossen, es gibt einfach nicht mehr genügend junge Familien und damit Schulkinder, die an der rauhen Küste leben wollen. Nein, richtig ist: leben können. Auch hier – und das hat mich total überrascht – ist das Meer leer gefischt. Vor 20 Jahren noch, haben 95% der Männer mit der Fischerei ihre Familien ernähren können. Dann war der Kabeljau, der die größte Einnahmequelle war, „plötzlich“ so reduziert, dass die Regierung über Nacht quasi ein komplettes Fischereiverbot für die bedrohten Kabeljaus verhängt hat. Bis heute haben sich weder die Fischbestände noch die Menschen oder gar die ganze Region von dieser Katastrophe wieder erholt. Die Fische sind weg, die Fischer sterben aus, die Dörfer sterben.

Was bleibt, ist die jahrtausende alte überwältigende Natur. Wir laufen lange über die Straße, um zu einem Wasserfall zu kommen. Eine kleine Erfrischung finden wir an einer kleinen Tankstelle und dann später auf dem Parkplatz vor dem Wasserfall ein Wohnmobil aus Deutschland. Schöne Überraschung!

Neufundlaaaaand….

Von unserem gemütlichen Ankerplatz im Little Harbour sind wir nach Baddeck weitergefahren, dem kleinen Provinzstädtchen ungefähr in der Mitte der Seen. Dort konnten wir mal wieder einkaufen, hatten gutes Internet und sind schön essen gegangen – natürlich! – Lobster und Cod (Kabeljau). Von dort sind wir am Vormittag in aller Ruhe gestartet, denn Martin hatte genau ausgerechnet, wann wir an der Engstelle sein mussten, die das östliche Ende der Seen mit dem Nordatlantik verbindet. Da ist soviel Strömung, das funktioniert nur in die richtige Richtung. Und unser timing stimmt! Hat Martin mal wieder so gut gemacht…. Wir schießen mit fast 11 Knoten durch die Meerenge – und sind wieder im Nordatlantik. In dem kleinen sehr geschützten natürlichen Hafen von Ingonish werfen wir nochmal für eine kurze Nacht den Anker (was gar nicht so leicht ist, denn entweder ist es sehr flach oder – schon wenige Meter weiter – sehr tief). Mit dem allerersten Lichthauch am nächsten Morgen geht es los. Nach einer Rauschefahrt mit kräftigem Wind aus der richtigen Richtung kommen wir gegen 17.00 Uhr in Neufundland an, Sehnsuchtsziel! Und wirklich – alles sieht so anders hier aus. Anders als alles, was wir jemals gesehen haben. Rau, steinig, zäh, kleine Häuser mit kleinen Fenstern und irgendetwas wirkt so ungewohnt. Was ist das, fragen wir uns. Die Häuser haben keine Gärten! Sie stehen da einfach da, zwischen Granitblöcken und harten Grasbüscheln. Der Sommer ist hier einfach zu kurz für Gartengestaltung.

Wir haben unser Boot gerade festgemacht, da kommt die Lokalreporterin an und fragt, ob sie ein Interview mit uns machen kann – Schiffsmeldungen. So heisst übrigens ein gutes Buch, das in Neufundland spielt!

Hier ist der Artikel: http://www.gulfnews.ca/community/2017/8/14/talking-with-tourists.html

Die See-Seen

Wir hatten schon gehört, dass die Bras d’Or Lakes wunderschön sein sollen. Unsere Erwartungen wurden noch übertroffen – zudem haben wir dieses schöne Stück Welt in herrlichstem Wetter kennengelernt. Tagsüber hatten wir knapp 30 Grad, nachts angenehm kühl und vor allem das Wasser – es hatte 21 Grad Schwimmtemperatur! Unser neues Spielzeug kam auch zu hervorragendem, so zu sagen artgerechtem Einsatz: ein Kajak, das wir einzeln oder zusammen über die Seen paddeln können.

Und – wir hatten uns schon vorher mit Colin, der ganz zu Anfang in Portugal bei uns an Bord war und seiner Frau Louise verabredet. Auf das Treffen mit den beiden hatten wir uns sehr gefreut und haben drei schöne Tage und vor allem selbstzubereitete Gourmet-Abende mit den beiden verbracht. Die beiden sind aktiv in Artenschutzprojekten, das grösste ist das Basking-Shark- (Riesenhai, aber vegetarisch!)- Projekt. Und wir haben über Europa geredet, ich habe von der im letzten November in Frankfurt gestarteten und inzwischen weit verbreiteten Initiative Pulse of Europe erzählt und die beiden von ihrer Fassungslosigkeit über den Brexit – die beiden sind Engländer. Und darüber, dass Mutti Merkel jetzt „Leader of the world“ ist. Genau das hören wir rundherum von allen, die wir unterwegs so treffen.

 

Unsere Hali-Faxen

In Halifax haben wir die Architekturprofessoren Anca, Glenn und ihre 13jährige Tochter Ava wiedergetroffen – eine amerikanische Familie im Sabbatical und auf dem Weg nach Europa. Mit ihnen hatten wir schon in Shelburne schöne Zeiten und wollten sie deshalb gern noch sehen, bevor sie von Halifax nach Irland aufbrechen wollten.

Wir fuhren in die Ankerbucht, die wir uns vor Halifax ausgeguckt hatten, als ein Boot auf uns zukam – Judy. Sie sagte, da hinten ist meine private Boje, wenn ihr wollt, könnt ihr da anlegen. Und mein Haus ist da drüben, es ist immer offen, wenn ihr Wäsche waschen wollt, das Internet braucht oder sonst was, kommt einfach rüber. Ach, und mein Auto brauche ich auch morgen nicht….. ??!!!!!!!!!! Unfassbar – all diese Menschen hier!

Am nächsten Tag haben wir Anca und Familie getroffen und sie fragte uns, ob wir irgendeinen Sternenstaub bei uns haben – das passiert nur Euch: Autos, Eiscremecookies, Lobsterburger, Regattaeinladungen, Neufundlandkarten in Shelburn, tagelange Autonutzung, Parties, Stricksocken und Rehfleisch in La Have und Boje mit Waschmaschinen – und Internetnutzung in Halifax…… Nein, kein Sternenstaub, Ihr Menschen hier in Nova Scotia, seid einfach grossartig!

Und ja, mit den Amerikanern haben die Kanadier sicher auch ein etwas anderes Verhältnis…..

 

LaHave

Nur ein Halbtagesritt ist es von der „Karibik“ in den LaHave River und dort liegt dann nach ein paar weiteren Seemeilen der LaHave River Yachtclub. Unser Boot ist so groß, dass es nur an eine Mooringboje passt. Schon wieder ist dort eine Regatta im Gange und als wir festgemacht haben, kommen auch all unsere Bekannten aus Shelburn gerade ins Ziel, „Illusion“ (hier das Video von und mit dem Song von Johnny Lake) mit Skipper Orwal hat wieder die Nase vorn. „Unseren“ VW hat Dan auch schon bereit gestellt. Das ist wirklich ungemein hilfsbereit und hilfreich vor allem! So machen wir einen Autoausflug nach Lunenburg – gegründet, welch Überraschung! von Deutschen und Schweizern – und sehr hübsch gelegenes UNESCO-Städtchen mit einem sehenswerten Fisherie-Museum. Für den Abend haben uns die Yachtclubleute schon zum Fridaynight Social-evening eingeladen. Es sind bestimmt 100 Gäste an diesem schönen Sommerabend dort. Wir lernen noch viele nette Menschen kennen, u.a. Bianca, die seit 30 Jahren dort lebt, deren deutsche Familie tatsächlich rund um Wiesbaden zu Hause ist!
Am nächsten Tag fahren wir zur Indian Gardenfarm und kaufen richtig gutes frisches Obst und Gemüse, hmmmm. Bekommt man in den USA nicht. Oder nur schwer. Und wir laufen zum Leuchtturm- viel weiter als gedacht- werden unterwegs von Jack, dem Lobsterfischer, mitgenommen. In 15 min lernen wir alles – ok, fast – über Lobsterfischerei. Am Leuchtturm sitzen wir schön in der Sonne und denken, ein Lobsterburger wäre jetzt richtig gut. In dem Moment kommt ein kleiner Truck angefahren und Martin fragt spaßeshalber nach. „Lobsterburger? Klar, habe ich in meiner Kühlbox!“ Auf dem Rückweg werden wir von einer netten Frau mitgenommen, die uns mit selbst gemachten Eiscreme-Cookies verwöhnt. Die Menschen hier sind wirklich außergewöhnlich hilfsbereit und sehr sehr freundlich. Am Ende reisen wir ab und haben von Orwal kiloweise selbstgejagtes Hirschfleisch und von Bianca selbst gestrickte Socken (für Neufundland!).

Hh